Hartz IV or not to be

in #blog7 years ago

Da kann ich ausnahmsweise auch mal mitschwätzen. :-) Meiner Erfahrung nach ist es durchaus möglich, mit Hartz IV zu leben unter 4 Voraussetzungen. 1. Nichtraucher. Ob nun wenig gequalmt wird oder viel, Filter oder gedreht, alles Jacke wie Hose, Rauchen mit Hartz IV ist nicht möglich. 2. Saufen. Damit sind nicht in erster Linie professionelle Säufer angesprochen, sondern auch Normaltrinker mit zwei, drei Bierchen oder Gläser Wein am Tag. Dieses ist nicht möglich. Erst recht muss auf das Trinken in Kneipen verzichtet werden (bezieht sich natürlich auch auf das Essen in der Wirtschaft oder im Restaurant). Dieser Punkt gilt selbst für Antialkoholiker. Regelmäßiger Konsum von Limonaden, Cola, Energy Drinks, Fruchtsäften ist nicht möglich. Basis sollte hier Tee und Wasser sein oder Mineralwasser, das mit einem Spritzer Sirup gemischt wird. Da sind wir auch schon bei Punkt 3: Versicht auf jegliches kulturelles oder gesellschaftliches Leben. Nicht möglich sind Kino-, Theater, Konzert-Besuche, Buch-, CD- oder DVD-Käufe (hier ist man auf die Bibliotheken angewiesen), nicht möglich sind die meisten Ausgehaktivitäten á la Restaurant, Kneipe, Stammtisch usw., sowie die meisten Sportarten, die regelmäßig etwas kosten, Schwimmen oder Joggen zum Beispiel ginge knapp, Reiten, Tennis, Golf, Tauchen usw. sicherlich nicht. 4. Das ist fast der wichtigste Punkt, man muss kochen können. Im alten klassischen Sinne. D.h. man muss mit Grundnahrungsmitteln auskommen können. Wer zu Beginn des Monats einen Vorrat an Mehl, Eiern, Reis, Kartoffeln, Zwiebeln, Tomaten, Linsen, Zucker, Salz, Öl, Fett usw. anlegt und daraus etwas machen kann, hat gewonnen. Gemüse und Obst ist entgegen vielen Vermutungen durchaus möglich, wenn man sich bei Käse, Wurst, Fisch, Fleisch und Süßwaren zurückhält. Verloren hat, wer auf Fertigpräparate wie Nudeln, Konserven, Yoghurts, Dosen, Gläser, Abgepacktes, Eingefrorenes, generell Fertiggerichte aller Art angewiesen ist. Fassen wir zusammen 1. Keine Genussmittel. Weder Schokolade, noch Whiskey, noch Tabak. 2. Trinken, in erster Linie Tee und Wasser. 3. Essen. In erster Linie Grundnahrungsmittel, oder wie der alte Fritz immer so schön sagte: Nachdem wir am Sonntag Bratkartoffeln hatten, am Montag Pellkartoffeln, am Dienstag Salzkartoffeln und gestern Petersilienkartoffeln, gibt es heute mal Stampfkartoffeln. ;-) (Nun gut, der alte Fritz war nicht ganz knicke oben in der Bohne, wie vielen vielleicht bekannt sein dürfte. - Und eine seiner Macken war eben diese, nichts anderes zu essen, als das was sich seine Landeskinder auch leisten konnten... (Ein Zug, der den heutigen Herrschercliquen übrigens völlig fremd wäre...)) 4. Soziales, gesellschaftliches, kulturelles, sportliches Leben sowie Hobbys und Freizeitaktivität: nur, wenn sie nichts kosten. Singen im Chor möglich, Tontaubenschießen nicht möglich; Wandern möglich, Segeln nicht möglich; Schwimmen möglich, Tauchen nicht möglich; Fahrradfahren möglich, Auto fahren nicht möglich; Bücher kaufen nicht möglich, ausleihen möglich; kostenlose Lesung möglich, Oper, Konzert, Theater nicht möglich usw. Fazit Nr. 2: Wäre ich Hartz-IV-Empfänger, könnte ich mir gleich den Strick nehmen. 1. Rauchen. Auch der Umstieg auf den billigsten Tabak, würde noch zu viel kosten. 2. Sauferei. Komme lange ohne aus, dann muss es aber wieder ordentlicher Stoff sein. Und zwar gilt hier, der Mensch lebt nicht vom Bier allein, also ein ordentlicher Gin, Vodka, Whiskey Readbreast, Green Spot, Bushmills 16, Glenfiddich 18 muss drin sein. ("Das potente Hirn lebt nicht von Milch, sondern von Alkaloiden." Dr. med. Gottfried Benn). Einschränken kann ich mich dagegen beim Wein. Wenn ich mir Brunello, Chianti, Rioja Reserva, Carménère & Co. nicht leisten kann, kann ich darauf verzichten, umso leichter, da ich Fuselweine säuretechnisch sowieso nicht vertrage... Punkt 3: Ich fresse zwar zu viel, bin aber nicht besonders wählerisch. In diesem Punkt könnte ich die Hartz-IV-Obligationen am ehesten erfüllen. Bei Punkt 4 sieht`s dagegen wieder ganz schlimm aus. Ich kann zwar wochenlang in der Isolation verbringen, ohne ein Wort über die Lippen kommen zu lassen. Dann muss ich aber wieder in die Zivilisation, d.h. Theater, Kino, Konzert oder eine Lokalität mit Zapfhahn aufsuchen (aus irgend einem Grunde, kann ich in einer Kneipe kein Cola oder Apfelsaftschorle trinken; in einem Restaurant klappt das problemlos...) Erfahrungsgemäß fließen an einem solchen Tag dann 2o bis 5o Euro in den Zapfhahn des Wirtes; für Hartz-IV-Empfänger vollkommen - und das auch noch drei, vier mal im Monat - unmachbar... Zudem bin ich auf regelmäßige Bücherkäufe angewiesen. Warum das so ist, weiß ich nicht; es scheint jedenfalls tatsächlich so zu sein, dass es mir bei einem geliehenen Buch wesentlich schwerer fällt, seinen Inhalt zu memorieren; was vielleicht auch daran liegt, dass man in geliehenen Büchern nicht mit Anstreichungen, Markierungen und Anmerkungen verfahren kann. Natürlich versuche ich die Kosten zu minimieren, indem ich vorzüglich gebrauchte Bücher kaufe; aber manchmal erscheint eben ein absoluter Pflichtkauf, wie unlängst die Briefe von Gottfried Benn, das Kriegstagebuch von Ernst Jünger oder die Schwarzen Hefte von Heidegger... Und dann blecht man halt mal 4o Euro, 33 Euro oder 22o Euro (für 4 Bd. Heidegger, wohlbemerkt in der Taschenbuchausgabe, nicht in der gebundenen) Für einen Hartz-IV-Empfänger wäre das der Tod, sowohl der physische, als auch der seelische. Die Möglichkeit, auf die Lektüre zu verzichten, bedeutete wiederum den geistigen Tod. (((Weil man sich durch die konsequente Nicht-Lektüre dieser grundlegenden Werke außerhalb der Moderne, d.h. außerhalb seiner Zeit setzt. Es kann praktisch kein Gedanke eines solchen Menschen mehr ernst genommen werden, oder vorsichtiger formuliert, er selbst ist es, der einen solchen nicht sinnvoll abschließen kann, weil er nicht imstande ist, ihn in den Horizont seiner Zeit einzuordnen.) (Man wäre hier also auf die Fernleihe angewiesen, die allerdings heute auch schon mindestes mit 5 Euro pro Band zu Buche schlägt; für Hartz-IV-Empfänger ebenfalls nicht bzw. kaum machbar.)) (Der Hartz-IV-Satz für Kleidung und Schuhe scheint mir zwar mit 36 Euro/Monat auch etwas knapp bemessen; was allerdings mit dem 1 Euro und 6 Cent für Weiterbildung und Kultur anzufangen sei; ist mir wesentlich schleierhaft geblieben; eine kontinuierliche Heidegger- oder auch nur Tageszeitungslektüre scheint mir damit nicht möglich zu sein; lebten wir in Polen, England oder in der Uckermarck könnte man sagen o.k.. auf der Schwäbischen Alb, bzw. im Land der Dichter und Denker scheinen mir 12 Euro für Bildung im Jahr pro Mann und Maus etwas unterschichtig angelegt zu sein. Wollte man die Leute in der Dummheit halten, könnte man gleichsam sagen o.k.; aber von den Leuten erwartet man ja erklärtermaßen ständige Fort- und Weiterbildung, um jeder Zeit wieder Anschluss an ein Berufsleben finden zu können. Und diesbezüglich scheint mir die Idee, hierfür einen Euro pro Monat bereitzustellen, etwas am postulierten Anspruchsdenken vorbeigedacht zu sein.)))

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Beziehe zwar kein Hartz IV, aber so was du da schreibst, so wird es sein. Man kann damit überleben, aber auch nicht mehr und aus dem Dilema kommt man auch nur sehr schwer wieder raus.

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