Warum Banken kein Geld verleihen
Aus dem Nichts erschaffen Banken per Mausklick hunderte Milliarden von Franken. Dies immer, wenn sie Kredite vergeben oder sich selbst Wertschriften und Immobilien beschaffen. So entstehen 90% unseres Geldes.
Als kleiner Junge konnte ich es nicht fassen: In Amerika gab es haufenweise Kinder, die nicht wussten, woher die Milch kommt. Und dies, obschon sie damit jeden Morgen ihre Kelloggs löffelten. Damals lachte ich über meine Altersgenossen in Übersee: Die Kühe schauten einem ja förmlich von den Milchpackungen her in die Augen!
Wie es möglich war, in kompletter Ahnungslosigkeit von einer Sache tagtäglich Gebrauch zu machen, wurde mir erst vor kurzem schlagartig bewusst. Zu meinem grossen Erstaunen hatte ich dieses Kunststück nämlich selbst fertig gebracht: Ich verwendete jeden Tag Geld. Und von dessen Herkunft – so musste ich augenreibend feststellen – wusste ich in etwa so viel, wie die US-Kids von der Milch.
Die Mär vom Geldverleih
Der Grund für mein Unwissen über die Herkunft des Geldes war, dass ich ein völlig falsches Bild des Bankengeschäfts hatte. Wie die meisten Menschen glaubte ich, Banken würden Spargelder verleihen. Das ist kompletter Humbug. Banken verleihen kein Geld. Sie erschaffen es, wenn sie Kredite vergeben. Ja, Sie haben richtig gelesen: Wenn eine Bank einen Kredit vergibt, erschafft sie neues Geld. Die Bank of England erklärt, dass die Idee des Geldverleihs „ein weitverbreiteter Irrglaube“ sei und berichtigt: „Wenn eine Bank einen Kredit vergibt, zum Beispiel eine Hypothek für einen Hauskauf (...), schreibt sie den Betrag der Hypothek auf das Kundenkonto gut. In diesem Moment wird neues Geld geschaffen.“(1) Dieses neugeschaffene Geld wird nicht physisch gedruckt, sondern elektronisch gedrückt. Per Entertaste. Und als es noch keine Computer gab, schrieb man es einfach in die Sparbücher. Daher auch sein Name: Buchgeld. Schon damals erklärte die amerikanische Notenbank Fed lapidar: „Banken kreieren Buchgeld, wann immer sie einen Kredit vergeben.“(2) Aus diesem einfachen Grund kann eine Bank auch dann Geld „verleihen“, wenn sie selber gar kein Spargeschäft hat! Diesen Fakt veranschaulicht die Schweizerische Nationalbank mit einem Beispiel: „Banken können Geld schaffen, indem sie Kredite (...) an Haushalte und Unternehmen vergeben. Nehmen wir beispielsweise an, Frau Stiefel nimmt einen Kredit von 300'000 Franken auf, um ein Haus zu bauen. Indem die Bank den Betrag dem Konto der Kundin gutschreibt, erhöht sich die Geldmenge um 300'000 Franken, ohne dass mehr Bargeld gedruckt wurde. Ausserdem waren keine Spargelder nötig, um den Kredit zu finanzieren.“(3) Da Banken also kein Geld verleihen – weder das der Sparer noch eigenes – sondern dieses bei der Kreditvergabe per Mausklick aus dem Nichts erzeugen, sind Bankschulden etwas völlig anderes als Schulden bei einer Privatperson: Während die 50er Note meinem Freund im Portemonnaie fehlt, wenn er damit mein Zmittag bezahlt, gilt dies für die 300‘000 von Frau Stiefel eben nicht. Sie können der Bank liquiditätsmässig ja gar nicht fehlen, da diese mittels Bilanzverlängerung – so der Fachjargon – neu in die Welt gesetzt wurden.
Nun findet diese Art der Geldschöpfung „in unserem heutigen Geldsystem – ob uns dies bewusst ist oder nicht – bei jeder Kreditvergabe einer jedweden Bank notwendigerweise und ausnahmslos statt.“(4) Die Bankschulden von Bürgern, Firmen und Staaten? allesamt Mausklicks(5). All diese Milliarden existierten vor der Verschuldung noch gar nicht! Sie sind von Banken in dem Moment virtuell erzeugt worden, als die entsprechenden Kreditverträge unterzeichnet wurden. Bilanzverlängerungen eben. Und nun fordern die Banken von den Kreditnehmern für die Rückgabe dessen, was sie selber gar nie hatten, zusätzlich Sicherheiten und Zinsen. Letztere bringen den Banken über 20 Milliarden ein(6). Jährlich.
Gratis zum Milliardenvermögen
Sollte Ihnen noch nicht schwindlig sein, dann halten Sie sich jetzt bitte fest: Banken kaufen gratis ein. Das ist kein schlechter Witz: Kauft eine Bank beispielsweise eine Immobilie, braucht sie dafür nicht etwa ihre Ersparnisse aus obigen Zinseinkünften anzutasten. Sie schafft sich dazu per Mausklick einfach wiederum Geld und schreibt es dem Verkäufer gut. Erneute Bilanzverlängerung. Die Deutsche Bundesbank führt aus: „Auch kann die Bank den Ankauf eines Vermögenswerts durch Gutschrift des Kaufbetrags auf dem Konto des Verkäufers bezahlen. Sie ist dann Eigentümerin des Vermögenswerts. Das kann beispielsweise eine Immobilie sein, die sie selbst nutzt oder die laufend Mietertrag abwirft. Bezahlt („finanziert“) hat sie diese Immobilie mit selbstgeschaffenem Buchgeld, das sie dem Verkäufer als Sichteinlage gutschreibt.“(7) Und die Freie Gemeinschaftsbank Basel schreibt deutlich, mit einer Bilanzverlängerung – selbstgeschöpftem Geld – das eigene Geschäftsgebäude „erworben“ zu haben: „Als nächsten Geschäftsvorgang wollen wir aus gegebenem Anlass den Bau unseres neuen Bankgebäudes in der Meret Oppenheim-Strasse betrachten. Wenn wir die Zahlung von Baurechnungen verbuchen, nimmt auf der Aktivseite der Bilanz das Immobilienvermögen entsprechend der erbrachten Bauleistungen zu und auf der Passivseite das Guthaben auf dem Konto des Bauunternehmers. Das Sichtguthaben steigt. Mit dem „Erwerb“ von Immobilienvermögen haben wir also Geld geschöpft.“(8) Die KB am Postplatz, die Raiffeisen an der Bahnhofstrasse, die UBS im Einkaufsviertel... Jedes einzelne Bankgebäude, das hierzulande zu sehen ist, wurde per Bilanzverlängerung „finanziert“.
Credit Suisse Towers in Zürich. Gekauft mit selbstgeschöpftem Buchgeld.
Auch andere Sachwerte wie die neue Mercedes-Flotte, Wertschriften oder gar Gold werden so „gekauft“. Bilanzverlängerungen. Gratis. Per Mausklick mit selbstgeschaffenem Geld. Denn „Banken kreieren Geld, wann immer (...) sie Vermögenswerte von Kunden abkaufen.“(9) Etwas ausführlicher die Aargauer Kantonalbank: „Geld entsteht allerdings nicht nur durch die Vergabe von Krediten. Geschäftsbanken schaffen auch Geld durch den Kauf von Aktiven wie Wertpapieren, Devisen, Gold oder Grundstücken bei Nichtbanken. Verkauft zum Beispiel ein Unternehmen Obligationen an eine Bank, dann bezahlt die Bank diese Wertpapiere wiederum mit Geld, das sie im Moment der Bezahlung selbst schafft.“(10)
Obwohl an dieser Stelle auch der hartgesottenste Verteidiger unseres Finanzsystems eingestehen muss, dass diese Prozesse eine massive Verzerrung des freien Marktes darstellen, ist dies alles nicht etwa ein Fall für die Wettbewerbskommission. Nein, es ist die absolut legale, von Finma und Basel I-III abgesegnete Geschäftstätigkeit der Bankenwelt.
Die wahre Herkunft des Geldes
Aus allen Kreditvergaben und Einkäufen von Banken sind in der Schweiz so knapp 1000 Milliarden an Buchgeld erzeugt worden(siehe Grafik). Existierten diese Franken tatsächlich in Form von Fünflibern, täte man gut daran, diese nicht zu türmen: Die schöne Stange Geld würde nämlich glatt vom Mond gerammt! Und auf die Erde gelegt, liesse sich der Erdball damit locker 11mal umrunden. Um sich die Mühe für die Beschaffung der hierfür nötigen 2,6 Millionen Tonnen Kupfer und Nickel zu ersparen, könnte man Papier verwenden und einen Stapel von Tausendernoten 100km weit in die Ionosphäre aufschichten.
Bevor ich all dies verstand, dachte ich, die Schweizerische Nationalbank SNB würde den Franken erzeugen; schliesslich stand ihr Name ja auf den Banknoten wie die Kuh auf den Milchpackungen. Nun bringt die SNB zwar die Noten in Umlauf und ist zusammen mit dem Staat, welcher das Münz prägt, für unser Bargeld verantwortlich. Dieses macht jedoch nicht einmal 10% aller Schweizer Franken aus. Die restlichen 90% erschaffen die privaten Banken als Buchgeld durch Einkäufe und Kreditvergaben: 1000 Milliarden im Interesse eigener Gewinnmaximierung!
1000 Milliarden Buchgeld (Geldmenge M3 minus 80 Mrd Bargeld)
Ich weiss nicht, wie es Ihnen ergeht. Wenn Kinder keine Ahnung von der Herkunft von Grundnahrungsmitteln haben, ist das eine Sache. Dass ich als Akademiker und mit mir unzählige andere Studierte, darunter Ökonomen, Politiker und gar Bankenvorstände nie erklärt bekommen haben, wie Geld entsteht, eine ganz andere. Eigenartig. Finden Sie nicht?
Matthias Ulrich
(1) „One common misconception is that banks act simply as intermediaries, lending out the deposits that savers place with them (…). When a bank makes a loan, for example to someone taking out a mortgage to buy a house, it does not typically do so by giving them thousands of pounds worth of banknotes. Instead, it credits their bank account with a bank deposit of the size of the mortgage. At that moment, new money is created.“ Bank of England. Aus: „Money Creation in the Modern Economy“, in Quarterly Bulletin 2014 (Q1), s. 2ff.
(2) „Commercial banks create checkbook money whenever they grant a loan” Federal Reserve Bank von New York. Aus: „I bet you thought…“, 1977. s. 19 (22).
(3) SNB: „Du und das Geld. Die Zeitung rund um die Schweizerische Nationalbank“, s. 7, 2016.
(4) Freie Gemeinschaftsbank Basel: „Geldschöpfung aus dem Nichts?“, Transparenz Nr. 72, 2016, s. 7.
(5) Wenn die Schweiz sich per Anleihen Geld besorgen will, werden diese von der SNB im Primärmarkt ausschliesslich an Geschäftsbanken verkauft. Diese bezahlen die Staatsanleihen dann mit elektronischem Zentralbankgeld, welches – Sie ahnen es – die SNB erst dann erschuf, als sie es den Banken gutschrieb. Darum erhöht auch jede neu ausgegebene Staatsanleihe die Geldmenge im System.
(6) 2015 waren es netto 23,8 Milliarden. Siehe: Schweizerische Nationalbank. „Die Banken in der Schweiz 2015“, s. 24.
(7) Deutsche Bundesbank: „Geld und Geldpolitik“, s. 79. 2015.
(8) Freie Gemeinschaftsbank Basel: „Banken als Organe der Geldschöpfung und Geldvernichtung“, in Transparenz Nr. 73, s. 17, 2016.
(9) „Banks create money whenever they lend to someone in the economy or buy an asset from consumers.“ Bank of England: „Money Creation in the Modern Economy“, in Quarterly Bulletin 2014 (Q1), s. 12.
(10) Aargauer Kantonalbank: „Wie Banken Geld schaffen“, s. 18, 2016.
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