Verspätete Adventsgrüße oder: Alles eine Frage der PERSPEKTIVE

in #deutsch5 years ago (edited)

Das folgende Gedicht habe ich gestern als kleine Geste unterm elterlichen Tannenbaum auf Schmuckpapier geschenkt bekommen. Es hat mich so beeindruckt, dass ich es dir nicht über elf Monate vorenthalten möchte. Zumal mit Sicherheit das gesamte Jahr zu jeder Zeit geeignet ist, persönliche Einstellungen zu was auch immer zu reflektieren.

Perspektivwechsel

von Iris Macke

Advent heißt Warten
Nein, die Wahrheit ist
Dass der Advent nur laut und schrill ist
Ich glaube nicht
Dass ich in diesen Wochen zur Ruhe kommen kann
Dass ich den Weg nach innen finde
Dass ich mich ausrichten kann auf das, was kommt
Es ist doch so
Dass die Zeit rast
Ich weigere mich zu glauben
Dass etwas Größeres in meine Welt hineinscheint
Dass ich mit anderen Augen sehen kann
Es ist doch ganz klar
Dass Gott fehlt
Ich kann unmöglich glauben
Nichts wird sich verändern
Es wäre gelogen, würde ich sagen:
Gott kommt auf die Erde!

⬆️ Und nun lies den Text von unten nach oben! ⬆️


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27.12.2019


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Der Text vorwärts und rückwärts gefällt mir und ist passend .
Du Chriddi der Herr Frosch und Herr Balte bekommen mich immer ans googeln 😉
Es ist es mir aber auch immer Wert

VgA

Es ist es mir aber auch immer Wert

Sollte es sein! Wäre ja noch schöner, wenn wir uns nur zum Zeitvertreib auf dem Steem rumdrücken und nichts dabei lernen würden... ;-)

Ich habe heute (nicht zum ersten Mal) auch gegoogelt. Hatte die wage Ahnung, dass der Herr Balte bei "common sense" noch einen Hintergedanken haben könnte. Aber wegen des Friedensgebots frage ich nicht nach dem historischen Pamphlet, sondern denke einfach an den schlicht übersetzten "Gemeinschaftssinn"... :-)

LG, Chriddi

Da bin ich aber beruhigt ;-) Die zweite Version ist mir viel näher! Genial gemacht - danke, dass du nicht gewartet hast !invest_vote

Ja, mir ist die Version von unten auch deutlich angenehmer. Dort ist auch viel mehr Raum für weitere Interpretationen und tieferes Nachdenken gegeben.
Und selbstverständlich hat mich mal wieder die Kraft von Sprache fasziniert - diesmal durch die "einfache" Verschiebung von Sätzen. Irre.

Wir sind alle Nihilisten. Mit nihilistischen Gedichen gar.
Danke @chriddi.

Ja. Vielleicht. Oder wir gewöhnen uns an, auch mal von unten nach oben oder von rechts nach links, gar zwischen den Zeilen zu lesen. Alles eine Frage der Perspektive... ;-)

Das Oder diskutieren wir jetzt aber nicht. Es ist Weihnachten. Jedenfalls das was davon übrig geblieben ist. Da gibt es ein Friedensgebot.

Man kann das Gedicht tatsächlich aus allen Richtungen lesen. Ich staune. Es ist vollig Wurst, wie man das nennt, was nicht zu begreifen ist. Die Erde ist, wie alle Geschöpfe ein Teil von dem, was der Autor Gott nennt. Wieso soll das also noch kommen? Es ist schon immer da. Das ist doch ganz normal und deswegen muss auch eigentlich niemand einen Laden aufmachen und Legenden spinnen, um Gläubigen die Groschen aus der Tasche zu ziehen und sie brav bei der Stange zu halten.

Denk an das Friedensgebot!
Die Sache mit dem Laden ist ja das, was diverse Religionen aus dem Ungreifbaren gemacht haben.
Liest man die Zeile "Gott kommt auf die Erde!" aus einer eher universellen Richtung, die deiner wie meiner Sichtweise von allem als Teil des Universums, des Gottes, entspricht, könnte man sie folgendermaßen interpretieren: Irgendwann wird auch die Menschheit dieses Planeten schnallen, worum es wirklich geht. Selbst, wenn sie dafür noch Abermillionen an Propheten, Wundern oder (katastrophalen) Fußtritten benötigt.

Tatsächlich, liebe Chriddi!

Es geht vorwärts und ebenso rückwärts.

So etwas kenne ich aus meinem Leben nur allzu gut, aber in so einem Text ist es mir neu.

Schönen Abend noch und lieben Gruß, @double-u

Danke für die Auseinandersetzung mit dem Beitrag, lieber Werner.

Nein, das totale Umkehren eines Textinhalts durch reine Technik war mir auch unbekannt. Faszinierend, sehr spannend!
Da du den Vergleich zu Ereignissen in deinem Leben ziehst, kann ich dich gern in dem Empfinden bestätigen: Wenn man ganz genau hinschaut, kann man meist auch - mit etwas Abstand - an jedem traurigen, bedrückenden, naja, nicht so angenehmen Erlebnis etwas Positives entdecken. Jede Medaille hat zwei Seiten, man muss sich nur trauen, sie mal umzudrehen. Dann wird Vieles leichter.

Liebe Grüße,
Chriddi

Liebe Chriddi,
die Ansicht: "Alles einer Frage der Perspektive" wird ja vereinfacht gesagt stets Nietzsche zugerechnet.
Glauben wir Ihm?
Hmm, schwierig.
Gibt es nicht wirklich auch a priori Wahrheiten (Mises, Praxeologie)?
Selbst ohne Glauben?
Hat Popper uneingeschränkt recht mit der Falsifikation?
Persönliche glaube ich inzwischen, das fast alles eine Frage ist, auf welchen Lebensbereich wir welche Erkenntnistheorie jeweilig anwenden.
Und wenn ich vermeintlich in welchem Bereich auch immer etwas meine verstanden zu haben: am Ende steht dann wieder Sokrates:
oîda ouk eidōs (οἶδα οὐκ εἰδώς).
Das hab ich grundsätzlich schon mit 18 begriffen, aber stets um vieles Anderes ein großes Gedankengebäude gebaut.
Und nun bin mit 48 aber so klug als wie zuvor, und damit bei Goethe, Faust, den der werte Frosch ja eher nicht so mag:).
Und dann treibst mich direkt zum common sense!
Nix für ungut!
Solange wir denken, sind wir:)
HGvB.

Sokrates, Nietzsche, Goethe - die und so viele andere große Denker - landeten im Endeffekt bei dem Versuch, das Unbegreifliche erfassen und erklären zu wollen, alle in der Misere des Doktor Faustus. Es ist nicht zu begreifen. Damit muss/darf der Mensch leben und das Beste draus machen. Das Beste mag durch viele, viele Gedanken irgendwann entstehen. Wäre schön, wenn wir alle gemeinsam es dann auch als dieses erkennen.
Ich bin übrigens gar nicht religiös und mache mir eher spirituell philosophisch Gedanken. Habe dem Frosch bereits einen Interpretationsvorschlag gemacht, wie man selbst dieses Gedicht aus einer Perspektive ohne Religion (hier wohl am ehesten das Christentum) lesen kann.
Ich finde es total schön, dass ich durch das Einstellen des Gedichts zum (Nach)denken inspiriert habe, denn

Solange wir denken, sind wir:)

Liebe Grüße,
Chriddi

Ich sehe in Deinem Pragmatismus zu dieser Thematik durchaus eine recht große Nähe zu meinem Denken, wenn wir sonst auch unterschiedliches ab und an sehen mögen.
Ich bin allenfalls semi-religiös:), wie wir alle eine Mischung von vielen.
Lassen wir uns dabei bezüglich des "common sense" nicht die Gedanken verwirren:).
HGvB.

Ein tolles Gedicht!

Eine sprachliche Herausforderung, Sätze zu bilden, deren Sinn sich ins Gegenteil verkehrt, wenn man die Leserichtung ändert.

Wie du im Einleitungstext anmerkst, kann der Text, unabhängig vom weihnachtlichen Kontext, als Aufforderung gesehen werden, öfter mal den Blickwinkel auf die eigene Sicht der Dinge zu ändern. Ein Perspektivenwechsel ist auch bei der Lösung eines Problems hilfreich.

Dem ist nichts hinzuzufügen, liebe Anna.
Danke, dass du vorbeigeschaut hast, ich schätze deine Rückmeldungen sehr.
Schönes Wochenende,
LG Chriddi

Völlig verwirrt versuchte ich das Gedicht in Partiko zu lesen. Vorwärts ging es noch ganz gut, doch von unten zu lesen war schlicht unmöglich.
Wie begeistert war ich doch, als mir Steempeak (mit richtiger Formatierung) dann den vollen Umfang und die wahre Botschaft entschlüsselte.

den vollen Umfang und die wahre Botschaft

Ja, irre, nä?! Der erste Gedanke nach dem ersten lesetechnisch korrekten Lesen, lässt einen doch eher die Stirn kräuseln. Und dann ist da plötzlich das Staunen, die Begeisterung.
Hoffentlich folgen viele Leser - selbst bei "Steemit-Überflieg-Mentalität" - tatsächlich der Anweisung der letzten Zeile... ;-)

Meine liebe Chriddi,

ich freue mich eben dem Impuls gefolgt zu sein, der mich mal wieder nach Wochen auf Steemit getrieben hat. Und beim Tippen dieser Zeilen bemerke ich, wie sehr es mir fehlt, Artikel zu schreiben. Aber ich schweife ab, ich wollte nämlich ebenso wie die anderen anmerken, an was für einem tollen Gedicht du uns hier hast teilhaben lassen. Es erinnert auf angenehm sanfte Weise daran, dass wir es alle selbst in der Hand haben, wie wir das Leben betrachten.
Also, danke für diese nette Erinnerung.

Ich wünsche dir ruhige restliche Tage dieses viel zu schnell vergangenen Jahres und einen guten Start ins nächste!

Ich sende eine feste Umarmung in den Norden und einen herzlichen Gruß
Melanie

Wie schön, dass du auf deinem kleinen Steemit-Zwischenstopp direkt bei mir reinschaust, liebe Melanie!
Wenn du das Schreiben selbst vermisst, hau rein! Da sind noch viele andere, die deine Beiträge und vor allem dich vermissen. Ich auf jeden Fall... 😊 Aber nur kein Druck. Wenn's wieder sein soll, kommt's.

Deine Anmerkung zum Gedicht hast du super zusammengefasst, denke, genau das ist die Essenz. Und die schriftsprachliche Umsetzung ist in den Augen der Experten ja wohl auch nicht ohne... 😉

Dir und deinen Lieben einen guten Rutsch in ein tolles, erlebnis- und begegnungsreiches Neues Jahr!

Ganz liebe Grüße,
Chriddi

Liebe Chriddi,

wie du siehst bin ich meinem Bedürfnis direkt mal nachgekommen 😁 Irgendwann wird es dann auch sicherlich wieder einen DeutschDienstag-Beitrag geben, aber ich warte noch auf einen Kuss meiner linguistischen Muse.

Ich hoffe, du und deine Zwei- und Vierbeiner sind gut ins neue Jahr gekommen. Ich wünsche dir ein ebenso tolles, erlebnis- und begegnungsreiches Jahr, und vergiss die Abenteuer nicht!

Liebe Melanie,
ich hab's gelesen und auch schon geantwortet... schluck
Dann haben wir ja bald das begegnungsreiche Jahr... 😉
Ich freue mich und fange gleich nächste Woche an, Mäx von unserer Sportlichkeit zu überzeugen!
Liebe Grüße,
Chriddi

Dann haben wir ja bald das begegnungsreiche Jahr... 😉

Nach fast 2 Jahren wird es auch höchste Eisenbahn!

Ich freue mich und fange gleich nächste Woche an, Mäx von unserer Sportlichkeit zu überzeugen!

Sei bitte so gut und dokumentier das für die Nachwelt, das wird sicherlich unterhaltsam! :D

Eine schöne Woche dir!

Na, mal schauen... ;-)
Wir waren auf alle Fälle schon gut! Samstag 11,5 km in 1:50 h, gestern dieselbe Strecke in 1:52 h. Strammer Schritt, aber noch kein Sport... ;-)
Mäx ahnt jedoch bereits, dass er nur trainiert, damit Frauchen nich so alleine "spazieren" muss und am Ende wohl eher kein Teilnehmer-Ticket ergattert. Doch wer weiß? Noch stehen unsere Pläne ja nicht...
Dir auch eine schöne Woche!

Hi chriddi,
A challenge for me linguistically, philosophically and technically. But the essence of the exercise...to make me think, that I gained.
I don't like Nietsche at all. So he can keep his perspective 😄
This is an intriguing piece, and I can see by the comments that readers are intrigued-- according their individual perspectives :)
I take no position on reality. The idea that thinking proves anything...maybe Einstein and quantum mechanics threw a monkey wrench into that one.
I'm reduced to the most simple formula: pain is real and happiness is real, in the moment. So I do what I can to reduce one and increase the other, whenever and wherever my modest abilities allow. This may be a facile philosophy, but it feels good. At my age, that is sufficient. 😊
Have a wonderful 2020.
Warm regards, AG

Hello AG,
thank you for having dealt so intensively with the poem, its message and the amazement of the commenting users.
I think the author does not want to make the reader accept an opinion, a belief. She points out exactly what you make clear: Reality is there, there is not much we can do about it. But it is up to us how we view reality. We decide for ourselves whether we want to inflict (mental) pain on ourselves by looking at it or not. The linguistic translation of this essence by the poet is a work of art!
To you and your loved ones a good start into the New Year, an eventful and healthy 2020!
Virtual embrace,
Chriddi

Das Handy mal gedreht und schon hat es geklappt mit dem rückwärts Lesen. Wunderbar überraschend.

Und zum Wörtchen Gott spinnt wohl jeder seine eignen Fäden.

Und zum Wörtchen Gott spinnt wohl jeder seine eignen Fäden.

Das ist auch sinnvoll, da es ja ohnehin unbegreifbar ist. Noch sinnvoller ist es, sich darüber nicht zu streiten. Das radikale Bestehen auf die "eigene" Definition von "Gott" und die Interpretation seiner "Worte" (Lebenslektionen?!) war von jeher, und ist leider immer noch, Auslöser für blutige Gewalt.

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