Ich mach' jetzt ganz groß in Wolle... (2) - Die Schur

in Deutsch Unplugged2 years ago

Nach genauester Begutachtung meiner neuen Profi-Schermaschine, sollten die Böckchen endlich auch von der Investition ins ganz große Wollgeschäft profitieren und zum zweiten Mal in diesem Jahr eine luftige Sommerfrisur erhalten.
"Etliche Scherlehrvideos später..." hieß es im letzten Bericht. Und genau das - das wiederholte Schauen eines sehr guten Lehrvideos zur "Vereinfachten Methode für den Einsatz von Handschermaschinen" - hätten Ralf und ich wohl lieber nicht tun sollen.

Ganz aufgeregt, den nächsten epochalen Schritt meiner angestrebten Karriere als Schafschermeisterin - oder so ähnlich - zu wagen, bereitete ich den Arbeitsplatz unter den neugierigen Blicken der eigentlich noch ganz gut aussehenden Böckchen perfekt vor. Die Schermaschine durfte als zentrales Werkzeug natürlich nicht fehlen, weiter benötigte ich Bottiche zum Sammeln der Wolle (gleich farblich sortiert, versteht sich) sowie eine ausgediente Tischplatte. Nach eingängigem Studium unterschiedlichster Schermethoden, haben wir uns dazu entschieden, im Stehen zu scheren, die Schafe dabei auf einem glatten Brett zu platzieren, denn dann kann man das Tier ganz einfach von einer Seite zur anderen schieben. Oh ja, es sah alles so einfach aus!

Na ja, die Maschine wurde angeschlossen und noch eine Decke ausgebreitet, damit die gute Wolle vom moosigen Rasen nicht allzu sehr beschmutzt wird. Und schon konnte ich den ersten Bock in die Arena holen.

Mit voller Absicht fiel die Wahl zunächst auf den größeren, braunen namens Böckchen. Nach der Schur erkennen die Schafe einander oft erstmal nicht wieder und unter Böcken kann es dann schonmal richtig knallen. Das wollte ich dem zumindest in der Seele etwas zarter besaiteten weißen Nücki gegebenenfalls nicht antun.
So sollte es später übrigens auch kommen: Der braune Bock war nach Abgabe seines von der Sonne ausgeblichenen Wintermantels plötzlich ein pechschwarzer und bekam einen heftigen Stoß auf die kräftige Nasenplatte gerammt. Alles in Ordnung - das stecken Böcke locker weg, im nächsten Moment kuscheln sie sich wieder aneinander.

Selbstverständlich folgte der Bock umgehend seinem liebsten Leitschaf. Doch dann merkte er wohl, dass irgendetwas im Busche ist - Schafe sind sehr, sehr sensibel für Stimmungen und ausgestrahlte Emotionen - und blieb stehen.

Mit Engelszungen, lieblichster Säuselstimme und unter Anwendung sämtlicher mir aus der Hundeerziehung bekannten Gesten, versuchte ich also, Böckchen doch noch freiwillig und stolz in den Frisiersalon schreiten zu lassen. Leider war der Bock bockig und ich kam aufgrund der körperlichen Anstrengung zum ersten Mal an diesem Tag ins Schwitzen.


Es bedurfte nur noch ein paar winziger Handgriffe und kaum nennenswertem Körpereinsatz...

...bis ich die Königsdisziplin bewältigt hatte: Ich brachte das Schaf, welches mittlerweile mehr wiegt als sein Frauchen, in eine Sitzposition, wie sie im Buche steht!


Ich griff beherzt zur Schermaschine und wusste spätestens jetzt, weshalb ich kein einziges Video fand, in dem eine Frau ein Schaf schert! Ich hatte echt Schwierigkeiten, das Schaf zu halten. Der erwartete Totstell-Reflex funktionierte bei Böckchen überhaupt nicht - sein Urvertrauen, ich als seine ihn liebende Halterin würde ihm bestimmt nichts antun, war stärker als ein angeborener Instinkt.
Dann flog auch schon - vor dem ersten Schnitt überhaupt - Ralfs Kamera, der dem Bock tatkräftig erklären musste, dass es nicht nett ist, dem Frauchen eine blutige Nase zu hauen.

Sehr verzweifelt und zutiefst betrübt - immerhin war meine Karriere nach wenigen Sekunden beendet - übergab ich die Schermaschine Ralf. Und auch bei ihm lief die Schur nicht so gut wie beim ersten Mal, als wir völlig unbedarft an die jährliche Aufgabe eines Schafhalters herangegangen sind. Wir wollten alles richtig machen - eben genau nach Video-Lehrgang - überlegten viel zu lange, was denn nun der nächste Schritt sei, in welche Richtung das Tier nun gedreht werden müsse, welche Faust in welche Keule gedrückt werden sollte, damit das Bein auch ja gestreckt ist und keine Falten wirft, durch deren Einschnitt man das Schaf sehr verletzen könnte.
Dann gab's den ersten Minischnitt in die Haut (nicht schlimm, etwas Desinfektionsmittel reichte als Erste-Hilfe-Maßnahme völlig aus), woraufhin der Bock sich vor Schreck einnässte. Nun hatte er einen pitschnassen Pelz (soviel zur wegen der Unterlage sauberen Wolle...), den man nicht scheren kann. Also wurde das Tier mit einem alten Handtuch trocken gerubbelt, was das abenteuerliche Prozedere natürlich noch mehr in die Länge zog.

Vor lauter Verunsicherung gab's am Ende irgendwie keinen einzigen durchgezogenen Schnitt und unsere Schafe sehen aus wie Streifenhörnchen. Aber die Beine sind ganz hervorragend gelungen: Bloß das Tier nicht nochmal verwunden, lieber per Hand nachschneiden... ;-)

Und was habe ich die ganze Zeit gemacht, wenn ich schon - ganz offensichtlich - nicht fotografiert habe? Ich habe das Tier festgehalten und lag dafür teilweise auf ihm drauf. Auch beim Nücki. Hammer! Dabei sah doch alles so einfach aus...

Der werte Leser wird sich denken können, dass wir zum Schluss natürlich KEIN Woll-Vlies zur Belohnung erhielten! Jo. der Profi schert dir ein vollständiges Vlies, das aussieht wie ein im Ganzen plattgedrücktes Schaf. Bestes Material! Aber wir hatten nur Woll-Flocken. Wie konnte das nur passieren?!
Diese habe ich selbstverständlich sorgfältig nach Farben getrennt aufgelesen, denn die Wolle sollte ja im nächsten Akt meiner Fabrikantenlaufbahn gewaschen werden.
Nein, bis dahin glaubte ich der nach lebhafter Berichterstattung sehr belustigten Schäferin natürlich immer noch nicht, dass man mit solchen Flocken gar nicht arbeiten könne. Insofern werdet ihr den Quantensprung vom vollgepieschten Schaffell bis zum nach wie vor geplanten Pullover durchaus weiter lesen sollen...

Was auch immer dabei rauskommt - Hauptsache unsere stattlichen Burschen können sich sogar beim hochsommerlichen "Rückschnitt" der letzten blühenden Rose sehen lassen, ohne von ihrer Frisur peinlich berührt sein zu müssen!

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Fotos & Gifs: @chriddi

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DU
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15.08.2022


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 2 years ago 

Es muss gemerkt haben, dass Sie versuchen, durch Tutorials zu lernen, und wollte warten, bis Sie mehr Erfahrung haben! 😂

 2 years ago 

Hahaha!

 2 years ago 

So wird es sein! Ich habe sehr sensible und sehr, sehr kluge Schafe!
Besonders einfallsreich wurden sie, als sie festgestellt haben, dass wir ihr Futter (nicht das Heu, das Kraftfutter als kleine Pellets) mittlerweile in der Küche verstecken... ;-D

 2 years ago 

Streifenhörnchen Frisur ist doch schon mal ein guter Ansatz :)
Ich sehe schon die Fotoserien nach der Vorlage in einem der letzten Kommentare mit lustig frisierten Schafen auf der Nachbarsweide. :D

 2 years ago 

Hihi, wenn du ganz genau hinschaust, hat das dunkle Schaf bereits eine kleine braune Elvis-Tolle... ;-)

Ach komm, nächstes Jahr wird' besser! Und dann...

Before reading this post, I had no idea how difficult a shearing procedure could be. I agree sheep are very sensitive. Yours one sensed something fishy, hence the reluctancy. But I am truly impressed by the efforts you guys put in.

I thought the color of a sheep is same as its wool and how can one shear a perfect flattened sheep like wool? It only happens in TV. It can't be real. Haha

The lads look gorgeous in new hairstyles. ;)

 2 years ago 

Exactly! And the difficulties can also be quietly named... 😂
I have witnessed the shearing of a whole herd now already twice - there it also looked quite simple... 😂

Not only on TV - they actually cut the wool blanket in one piece. In this photo you can see that quite well (and so I have seen it in real, I have packed the fleeces together on the shearing day of the herd).

Bildschirmfoto 2022-08-16 um 21.48.15.png
Source
Haha, I like the haircuts of the fellows too! Quite gorgeous boys, my sweeties....
Will pass on the praise to Ralf... 😉

This looks quite fascinating and I'm very much intrigued. I hope I get to see it live someday. Or maybe you make a video for us while shearing your lads next year. I'm sure you will be able to cut cool blankets in one piece by then. 😁

frisuletten bande :-)

aller anfang ist nicht ganz leicht
übung macht den meister

also nicht traurig sein
hat doch alles noch geklappt

beste grüße und viel spass mit der wolle

 2 years ago 

Hihi, nein, ich bin nicht ernsthaft traurig.
Die Übung wird sich einstellen, denn wir behalten die Schafe und dann geht's rund... :-D
Das Wichtigste ist ohnehin, dass sie bei der momentanen Hitze nicht mehr im Pullover herumlaufen müssen. Auf's Äußere kommt's eh nicht an, was zählt sind die inneren Werte... ;-)

 2 years ago 

Sehr schön - also, beschrieben, meine ich.
Das ganze Elend.
Das war's aber auch schon, denn die nächste Schur gelingt garantiert (ty-ty-Ehrenwort) wieder besser, vielleicht vliests dann geradezu.
;-)

Was verstehst du eigentlich unter einem

Quantensprung

?

In der Püssick ist das, wenn ein Elektron ohne Zwischenstadium von einer Energieniveau-"Schale" auf die nächste springt. Ohne Zwischenstadium, das es nämlich nicht gibt.

vom vollgepieschten Schaffell bis zum nach wie vor geplanten Pullover

  • also ohne weitere Zwischenschritte von A nach B??
 2 years ago 

Quantensprung

In der Püssick ...

Der Podologe würde das freilich anders interpretieren ... und sich auf neue Strümpfe für schwunghafte Bewegungen freuen... wie vielleicht das Frauchen ;-))

 2 years ago 

Ja, und der Archäopodograph sieht bei diesem Wort gesprungene Hufe an seiner Lieblingsmarmorstatute.
;-))

 2 years ago 

Dankeschön... 😊

Ja, bestimmt wird es vliesen! Shaka... Ommm...
Sag, wird vliests nicht mit Apostroph geschrieben?

Oh ja, im übertragenen Sinne meine ich den Quantensprung genau so!
"Ohne weitere Zwischenschritte" war zwar nicht eingeplant, wird aber so laufen müssen, da bislang jeder einzelne im mittelschweren Desaster endete... ;-)

 2 years ago 

Sag, wird vliests nicht mit Apostroph geschrieben?

Das dürfte so gedurft sein, möchlicherweise sogar gesollt. Mal probieren:
Hier gießt's, dort vliest's.
Ja, so passt's!
Hier grinst's.

 2 years ago 

Ohne weitere Zwischenschritte

Nicht die Wolle wenigstens... irgendwie ein bisschen... reinigen?
;-)

 2 years ago 

Die Wäsche wird das nächste Kapitel...
Das dann aber ohne den Hashtag #humor, was mich ein wenig am Schreiben hindert... ;-)

 2 years ago 

Reinigung DURCH Humor geht hier wohl nicht?

 2 years ago 

Nee, das ging nur MIT Humor. Aber ob der rüberkäme... ;-)

 2 years ago 

Mit Sicherlichkeit.

 2 years ago 

Holla, da war ja einiges los. Blutige Nase hauen ist jetzt wirklich nicht so nett, ich kann mir die Aufregung entfernt vorstellen. Hatte grundsätzlich Schweißausbrüche wenn bei Katz oder Hund nur die Krallen geschnitten werden mussten. Tut einem selber fast schon mehr weh, falls was schief geht.

Aber, Ende gut... beim letzten Bild scheint das schwarze Böckchen leicht zu Lächeln (vielleicht wegen der Nase vom Frauchen) und beide sehen doch wirklich hübsch aus.

 2 years ago 

Hihi, der Bursche hat halt gezappelt und ich habe einen unbeabsichtigten "Hufstreifer" abgekriegt. Nicht der Rede wert - so ein Artikel braucht doch einen Cliffhanger... 😎

Oh ja, ich mag auch nicht gern Krallen schneiden, da ist immer die Angst, dem Tier weh zu tun. Allein, wenn sie diese wittern, quietschen die Hunde, obwohl ich sie noch gar nicht angefasst habe. Habe aber einen Mann, der weder bei Krallen noch Hufen Hemmungen hat. Das ist echt was wert!
Dafür kann ich gut und ohne Ekel davor mit den Fingern Zecken entfernen - selbst dabei schreit Mäxchen als würde er gerade auf der Folterbank liegen... 😉

Hihi, ja, das Böckchen ist auf dem Foto kurz vor einem freudigen Blöken. "Frauchen kommt, juchu!" Oder: "Schnell einschleimen, damit sie nicht schimpft, weil wir mal wieder die Ausbrecherkönige sind!"
Ja, meine Hübschen sind echt kernig! Die möchte ich nicht mehr missen. Dumm nur: Ich kann ihnen einfach nicht böse sein... 🫣

Du weißt aber was zu tun ist, wenn dabei Dir ein oder mehrere Zähne rausgeschlagen werden sollten, oder?

Zahnrettungsbox hoffentlich griffbereit - oder zumindest eine Packung H-Milch.

 2 years ago 

Das wäre dumm... ;-)

Gehen die Zähne hops, dann auf keinen Fall runterschlucken oder trocken fallen lassen. Die meisten kommen mit vertrockneten Zähnen in der Notaufnahme an und wundern sich dann, dass man nichts mehr machen kann.

Wenn keine Zahnrettungsbox vorhanden ist, ist die H-Milch schätzungsweise für 1 Stunde im stande das Überleben des Zahnwurzelepithels sicher zu stellen. Bis dahin muss der Zahn also durch einen Zahnarzt reimplantiert und verdrahtet sein.

In einer Zahnrettungsbox überlebt der Zahn rund 24 Stunden - da bleibt dann auch Zeit die nächste Kieferklinik aufzusuchen. Auch hier gilt - je früher reimplantiert wird umso besser sind die Überlebenschancen des Zahns.

 2 years ago 

I wonder, after mastering a new profession, do you plan to cut people's hair?

 2 years ago 

Hmm, I don't know, I don't know....
Ah! You're only asking this question because deep down you think I'm very talented for my new vocation.... 😎

 2 years ago 

Das scheint wirklich aus gutem Grund eine Männerdomäne zu sein. Ausnahmen gibt es:

https://www.lavalan.com/de/stories/anne-lise-schafschererin/

 2 years ago 

Ah, interessant! Lege ich mir gleich mal zum späteren Lesen auf Halde.
Wir werden vielleicht expandieren... ;-)

 2 years ago 

Herrlich, ich musste herzlich lachen :-))
Da haben die Tierchen irgendwie nicht verstanden, dass doch alles zu ihrem Besten ist... Streifenhörnchen... :-D
Allerdings hoffe ich, dass deine Nase "nur" blutig war...

Aber der Unterschied zwischen dem brauen noch befellten Böckchen und dem dann nackigen schwarzen Streifenböckchen ist schon bemerkenswert! Da ist es kein Wunder, dass die Schafe sich auf den ersten Blick nicht mehr erkennen.

Und die Rose gab's dann aus Belohnung!? ;-)

 2 years ago 

Hihi, das freut mich... ;-)

Das Fell wächst zum Zugucken schnell, sodass sich die Streifenhörnchen allmählich zu kleinen Punkern entwickeln. Vielleicht sollte ich die Irokesenstreifen einfärben und die Tiere zu Medienstars machen... ;-)

Jo. Nur Blut und Schweiß... ;-)

Das "Nichterkennen" war bei den Deckböcken interessant. Die haben durchaus gesehen, dass sie vielleicht nicht sofort rammen sollen, um bei 100 kg nicht direkt den Kürzeren zu ziehen. Also haben sie geknurrt wie aggressive Hunde und erstmal nur wie wilde Stiere bedrohlich mit einem Huf gescharrt. Dann haben sie sich an die Gesichter erinnert und hatten sich wieder lieb - haben sich richtig über den wiedergefundenen Freund gefreut.

Die Sache mit der Rose... War dann schon ein paar Tage später, als die Burschen mal wieder ausgebrochen sind und so getan haben, als wenn nichts wäre. Ich kann denen einfach nicht böse sein, muss immer lachen, über die "Unschuldslämmer"... :-))

Warum habt ihr die Schafe nicht kurzerhand narkotisiert?

Auch das Abführen zum Scherplatz wäre mit ein paar Leckerlies sicherlich leichter gewesen, oder?

 2 years ago 

Leckerlis sind stets auf Tasche... ;-)
War schon alles in Ordnung, so wie's war. Böckchen sind halt manchmal bockig... :-)

Sei froh dass die Zähne nicht futsch sind.

Vielleicht beim nächstenmal einen Helm und einen Mundschutz dabei tragen...

;o)

 2 years ago 

Genau sowas wollte ich vorschlagen. Gibt's ähnlich auch beim Baseball...😉

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